Bürgermeister Frank Seidel nahm diesen Faden auf und begrüßte die „lieben Freunde des europäischen Gedankens“. Insbesondere begrüßte er seinen Kollegen aus der französischen Partnergemeinde Coulaines, Christophe Rouillon, der gleichzeitig auch französisches Mitglied im EU-Ausschuss der Regionen ist. Seidel zeigte sich überzeugt, dass Europa heute wichtiger denn je sei, wenn es darum gehe, europäische Werte wie Freiheit, Gleichheit und Einhaltung von Menschenrechten zu verteidigen. „Wir brauchen nicht weniger Europa, wir brauchen mehr Europa“, stellte er unter Applaus fest.
Sein französischer Amtskollege, der seine Rede in fließendem Deutsch vortrug, outete sich ebenfalls als überzeugter Europäer. Für ihn zeigt sich die Gemeinschaft gerade im Moment als recht wehrhaft, wo autokratische Systeme die EU herausfordern. Die vielen Demonstrationen für Demokratie quer durch Europa sind für ihn Ausdruck der sonst oftmals als „schweigende Mehrheit“ bezeichneten Mitte der Gesellschaft, das Feld nicht den Populisten und Extremisten zu überlassen.
Als eine Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in Europa bezeichnet er neben bezahlbarem Wohnraum den Anspruch auf erschwingliche und saubere Energie. Er fordert eine europäische Strategie, um diese Ansprüche erfüllen zu können. Eine Möglichkeit zur Finanzierung dieser Maßnahmen sieht er in einer stärkeren Besteuerung von Superreichen. Europa wirkt für ihn positiv bis in jede einzelne Kommune. Aufgabe der Politiker sollte es nach seinen Worten sein, die Vorteile Europas stärker herauszustellen und nicht für alles, was schiefläuft, Europa verantwortlich zu machen. Erhalt der Werte Europas, für die Generationen vor uns eingetreten sind, ist für ihn nicht selbstverständlich.
„Die nächste EU-Wahl wird zeigen, ob Europa eine starke Gemeinschaft bleibt“, sagte er und hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung.
Christoph Pohlmann, Abteilungsleiter Europa im Niedersächsischen Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, stimmte ihm zu. Auch er hält 2024 für ein wichtiges Jahr der Richtungsentscheidung in Europa. Er sieht die deutsch-französische Freundschaft als „Erfolgsmodell, das zeigt, was aus Erzfeinden werden kann“. Diese Freundschaft wird nach seinen Worten von Bürgern er- und gelebt. Sprache ist für ihn dabei ein wichtiges Element. Die Schließung mehrerer Goetheinstitute, unter anderem auch in Frankreich, hält er, wie auch Gerd Thiel, „für das falsche Signal“.
Durch die politische Entwicklung in den USA sieht Pohlmann Europa gefordert, eigenständiger zu werden. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat für ihn das zuvor als verlässlich wahrgenommene Sicherheitsgefüge in Europa stark erschüttert.
Eine weitere Herausforderung stellen für ihn die „totalitären und autokratischen Feinde von innen“ dar, wobei die Entwicklung in Polen ihn hoffen lässt. Pohlmann erinnert auch daran, dass die Jugend am Wahltag mitgestalten kann, da in Deutschland auch 16-jährige zur Wahl aufgerufen sind. „Nutze Deine Stimme“ ist das Motto der Aktionen des Ministeriums in den sozialen Medien. „Wie funktioniert Europa“ und „was leistet Europa vor Ort“, sind dabei Themenschwerpunkte, um junge Leute und politikferne Bürger sachlich zu informieren und das Feld nicht den russischen Bots im Internet zu überlassen.
„Verteidigen wir unser Lebensmodell in einem friedlichen und weltoffenen Europa und gehen wir am 9. Juni zur Wahl“, forderte er die Anwesenden unter Applaus auf.
Quellenangabe: Kreiszeitung Syke/Weyhe/Stuhr vom 06.02.2024, Seite 7